ChatGPT in deutschen Schulen: Empfehlungen der Bundesländer

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Die Etablierung von ChatGPT stellte nicht nur Lehrkräfte, sondern auch ihre Vorgesetzten, die Bildungsministerien, vor eine neue Herausforderung: Sollte der Einsatz in der Schule befürwortet oder verboten werden? Wie können wir einen rechtlichen Rahmen gestalten?

Um diese und weitere Fragen zu beantworten und den Lehrkräften Handlungsempfehlungen auszusprechen, fingen die einzelnen Bundesländer im Frühjahr 2023 an, verschiedene Handreichungen zum Thema zu veröffentlichen. Diese variieren je nach Form, Umfang und Inhalt. Wir haben uns diese Handreichungen mal angeschaut.

Einig sind sich aber alle darüber, dass KI-Programme wie ChatGPT zur neuen Lebensrealität in Deutschland gehören und daher auf keinen Fall verboten, sondern explizit in Schule thematisiert werden müssen.

Der rechtliche Rahmen

Ebenfalls gemein haben sie, dass rechtliche Fragen in Bezug auf ChatGPT diskutiert werden.
Dabei stehen vor allem drei Aspekte im Vordergrund:

1. ChatGPT und Urheberrecht

Der erste wichtige Punkt, auf den die Bundesländer aufmerksam machen, ist, dass ein von ChatGPT erzeugter Text nicht unter das Urheberrecht fällt, da ChatGPT kein Mensch ist. Auch der Hersteller von ChatGPT, OpenAI, beansprucht kein Urheberrecht, sodass Produkte von ChatGPT aus dieser Perspektive problemlos im Unterricht genutzt werden können.

Allerdings gilt auch hier:
Du und deine Schüler*innen sollten das Ergebnis der KI immer kritisch gegenlesen! Es kann vorkommen, dass ChatGPT Formulierungen verwendet, die geschützten Werken sehr ähnlich sind. Daher solltest du nur geprüfte Texte von ChatGPT öffentlich zugänglich machen.

Die Relevanz dieser Prüfung wird aktuell vor allem vor dem Hintergrund der Klagen von Autor:innen wegen der Verletzung geistigen Eigentums durch die Firma OpenAI ersichtlich.

2. ChatGPT und Datenschutz

Da ChatGPT die hier geltenden Datenschutzbestimmungen noch nicht erfüllt, raten alle Länder von dem Erstellen eigener Schüler*innen-Accounts ab. Das Verwenden personenbezogener Daten wie Mailadressen oder Handynummern, die von ChatGPT bei der Registrierung gefordert werden, seien nicht datenschutzkonform, weshalb auch nicht von Schüler*innen verlangt werden kann, im privaten Umfeld mit ChatGPT zu arbeiten. Für die Umsetzung im Unterricht wird das Erstellen von einem oder mehreren Probeaccounts durch die Lehrkraft vorgeschlagen, damit Schüler*innen das KI-Tool selbst ausprobieren können.

Das Problem dabei: Die Registrierung bei ChatGPT erfordert eine Handynummer, welche dann zwangsläufig von der Lehrkraft gestellt werden müsste. Hier liegt eine große Schwäche in den Empfehlungen, da sie keinen geeigneten Weg zeigen, um eine datenschutzkonforme Arbeit mit ChatGPT oder anderen KI-Modelle in der Schule umzusetzen. Es existieren aber bereits Programme, die eine datenschutzkonforme Nutzung von Sprachmodellen wie ChatGPT ermöglichen.

Eine Ausnahme bildet hier Mecklenburg-Vorpommern: Lehrkräfte können hier kostenfrei auf die Plattform fobizz zugreifen, welche ebenfalls einen datenschutzkonformen KI-Assistenten anbietet. Trotz rechtlicher Hürden von ChatGPT ist es also möglich, mit Anwendungen wie ChatGPT im Unterricht zu arbeiten.

3. ChatGPT und Leistungsbewertung

Auch hier sind sich die Länder einig: Für die klassischen Prüfungsformate wie Klausuren oder Klassenarbeiten spielt ChatGPT eine geringe Rolle, da ein möglicher Einsatz hier leicht kontrolliert werden kann. Außerdem fällt es in die Kategorie der Hilfsmittel – es ist entweder erlaubt oder nicht. Ein unerlaubter Gebrauch kann also einfach als Täuschungsversuch gewertet werden. Übrigens: Hamburg empfiehlt dir sogar den Einsatz der Überprüfungssoftware Perplexity für schriftliche Abgaben.

Interessant ist hier aber, dass ChatGPT somit auch als Hilfsmittel erlaubt werden könnte. Dies ergibt natürlich nicht bei jeder Prüfung uneingeschränkt Sinn, eröffnet aber einige spannende Perspektiven für neue Prüfungsformate.

Der letzte Aspekt von Aspekt 3 führt zu einer weiteren vieldiskutierten Frage:

Verändert ChatGPT die Aufgabenkultur an den Schulen?

Auch hier gibt es länderübergreifend die klare Tendenz, diese Frage mit Ja zu beantworten.

Zunächst müssen die Aufgabenstellungen an den Einsatz von ChatGPT angepasst werden

Sollen die Schüler*innen ChatGPT als Hilfsmittel nutzen? Wenn ja, für welchen Teil der Aufgabe?

Hier bietet es sich an, möglichst konkrete Anweisungen zu geben, um klarzumachen, für welchen Teil der Einsatz von ChatGPT gewünscht ist. Klassische Arbeitsschritte wären das Zusammenfassen von Texten, die Übernahme von Rechercheaufgaben oder das Erstellen von Materialien.
Hier sollten sich allerdings immer Reflektionsaufgaben anschließen, in denen die Schüler*innen das Ergebnis von ChatGPT kritisch hinterfragen.


Wie sähe dann ein hilfsmittelfreier Teil aus?

Für den Aufgabenteil, der ohne ChatGPT gelöst werden soll, muss die Aufgabenstellung ebenfalls angepasst werden.
Hier sollte deutlich darauf hingewiesen werden, dass der ChatBot nicht als Hilfsmittel zugelassen ist. Außerdem sollte die Aufgabe so gestellt sein, dass die Nutzung einer KI-Software erschwert wird oder grundsätzlich nicht sinnvoll bzw. möglich ist.
Hier zeigt sich, dass vor allem komplexe Fragestellungen, für die Vorwissen nötig ist und die möglicherweise sogar individuelle Bezüge aufweisen, ChatGPT vor Probleme stellt.


Welche Aufgaben bringen ChatGPT noch an seine Grenzen?

Weitere Beispiele für Aufgaben, die nicht von ChatGPT gelöst werden können, beinhalten einen Medienwechsel.
Für das Erstellen von Plakaten, Podcasts oder Videos kann ChatGPT zwar als Planungsassistenz weiterhelfen, das Endprodukt ist aber nicht in Textform und muss somit von den Schüler*innen selbst produziert werden – zumindest solange es keine zugänglichen KI-Werkzeuge für diese Medienwechsel gibt…

Methoden und Forderungen der Bundesländer

Eine weitere Methode, die die Länder stärker in den Mittelpunkt rücken ist das sogenannte Formative Assessment. Hierbei soll der Bearbeitungsprozess beobachtend begleitet und Feedback schon währenddessen gegeben werden. Dadurch soll die Motivation der Schüler*innen für das Produzieren eigenständiger Leistungen gesteigert werden.

Generell fordern die Länder, dass vermehrt der Lernprozess in den Vordergrund gestellt und das eigentliche Ergebnis vernachlässigt werden soll. Auch der Präsentation der Aufgabe soll eine größere Bedeutung beigemessen werden. Dadurch wird der Fokus auf die prozessbezogenen statt der inhaltlichen Kompetenzen gelegt. Das ist vor allem auch für das Erstellen von Projektarbeiten relevant, da ChatGPT ja besonders für die Textproduktion genutzt wird.

Der Ausblick, den die Bundesländer in ihren Empfehlungen geben, geht also klar in die Richtung, dass das Stellen von Aufgaben in Zukunft an KI-Modelle wie ChatGPT angepasst werden muss.

ChatGPT in der Schule als Teil der Medienerziehung – aber wie?

Obwohl es noch einige oben aufgezeigte Schwierigkeiten zu beachten gibt, betonen alle Länder, dass ChatGPT alleine schon im Rahmen der Medienerziehung zwingend in den Schulen thematisiert werden muss. Wie das letztlich umgesetzt wird, ist dann aber doch wieder den Lehrkräften überlassen. Es gibt hier große Unterschiede zwischen den Bundesländern, in welchem Umfang den oft noch ungeschulten Lehrkräften Hilfestellungen und Förderangebote an die Hand gegeben werden. Hier eine kleine Auswahl von Positivbeispielen:

Fortbildungen

Fortbildungen zum Umgang mit ChatGPT stehen in allen Ländern an der Tagesordnung, um allen Lehrkräften die damit verbundenen Chancen und Risiken näherzubringen. Vor allem sollte hier der praktische Umgang erprobt werden, damit Lehrkräfte sich sicher fühlen, mit ChatGPT zu arbeiten und Wissen darüber zu vermitteln.

An dieser Stelle sei auch auf unser Fortbildungsangebot verwiesen: Wenn du dich im Bereich KI weiterentwickeln willst, schau gerne mal vorbei!
Besonders weit sind hier übrigens Sachsen und Hamburg, die eine KI-Kompetenzstelle eingerichtet haben. Diese hat sich auf das Thema KI spezialisiert und fungiert somit als dauerhafte Anlaufstelle für Lehrkräfte, die noch Fragen auf dem Gebiet haben.

Lehrplan: Umsetzung von ChatGPT in der Schule, aber wie genau?

Nur wenige Bundesländer werden hier richtig konkret und liefern ihren Lehrkräfte Ansätze, wann und wie das Thema KI passend behandelt werden kann. Bayern geht hier beispielsweise voran, indem es KI konkret in den Lehrplan aufgenommen hat: Im Informatikunterricht der gymnasialen Oberstufe ist KI als Pflichtthema vorgesehen, zudem werde es auch im Religions-, Kunst- und Fremdsprachenunterricht in der Oberstufe behandelt.

Dabei lässt sich sicherlich diskutieren, ob sich nicht auch schon in jüngeren Jahrgangsstufen mit ChatGPT oder ähnlichen KI-Modellen auseinandergesetzt werden sollte, da auch hier schon Kontakt zur digitalisierten Welt besteht.

Unterrichtsmaterialien

Teilweise beinhalten die Handreichungen erste Ideen zur praktischen Umsetzung im Unterricht. Dabei ist wichtig, dass sich die Behandlung nicht auf den Informatikunterricht begrenzt – ChatGPT lässt sich fächerübergreifend bearbeiten.

Hier sei zum Beispiel auf die Handreichung aus Sachsen-Anhalt verwiesen, in welcher sich zahlreiche Anwendungsvorschläge finden.

Fazit: Was sagen die Bundesländer jetzt genau?

Es lässt sich festhalten, dass alle Bundesländer ihre eigenen Wege wählen, um ihren Lehrkräften den Umgang mit ChatGPT in der Schule zu erleichtern. Glücklicherweise haben sich die Bundesländer bei ChatGPT aber relativ schnell positioniert und dessen Einfluss auf die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen anerkannt – anders als beispielsweise beim Thema Smartphone in der Schule.

Dadurch ergeben sich ein paar Tendenzen, die alle Empfehlungen gemeinsam haben. Das sind die wichtigsten Punkte aus den Empfehlungen:

  • Das Vermitteln eines sinnvollen Umgangs mit KI wie ChatGPT gehört zum Bildungsauftrag der Schule, und zwar fächerübergreifend. Ziel ist ein reflektierter Umgang mit einem Bewusstsein für die Chancen und Risken von KI.
  • Datenschutzrechtlich ist der Einsatz von ChatGPt im Unterricht schwierig, da von Schüler*innenaccounts abgeraten wird. Urheberrechtlich gibt es keine Bedenken. Die aktuelle mediale Debatte zeigt jedoch, dass dort durchaus Bedenken bestehen.
  • Aufgaben und Prüfungen müssen an ChatGPT angepasst werden. Dabei soll vor allem die Reflektion des KI-Einsatzes gefördert werden.
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