Partizipative Schulentwicklung

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In diesem Artikel möchten wir Dir die Vorteile der partizipativen Schulentwicklung näher bringen. Im Fokus steht dabei die Beteiligung möglichst vieler Akteur:innen an Schulentwicklungsprozessen. Die partizipative Schulentwicklung ist ein Kerngedanke zur Steigerung der Akzeptanz für Veränderungsprozesse und zur Erreichung des Ziels, eine Schule für alle zu einem Ort zu machen, an dem sie gut leben, lernen und arbeiten können.

Gedankenexperiment zur partizipativen Schulentwicklung

Starten wir mit einem Gedankenexperiment. Stell Dir vor, Du bist Schüler:in an Deiner Schule. Gehe dabei gedanklich einen gesamten Schultag durch. Denke an verschiedene Unterrichte (z.B. Musik, Sport, Biologie, Deutsch).

Was denkst Du, würde es Deinem Schüler:in-Ich im Unterrichtsalltag gut an Deiner Schule gefallen? Welche Abläufe, Unterrichte, Ausstattungen Deiner Schule tragen dazu bei, dass das Lernen besonders gut funktionieren kann? Wie stellst Du Dir eine gelungene Pausengestaltung vor? Wo können sich Dein Schüler:in-Ich und die Freund:innen aufhalten und was können sie dort erleben – können sie sich erholen, austoben, Freundschaften pflegen?

Beantworte Dir die Fragen sowohl für ein:e Sechstklässler:in als auch für ein:e Obenstufenschüler:in. Bestimmt bist Du auf einige Stärken Deiner Schule gekommen, die Schüler:innen einen angenehmen Schultag ermöglichen. Vielleicht weißt Du sogar von einigen Dingen, die sich aus der Sicht von Schüler:innen verändern sollten.

Illustration einer denkenden Person als Beispiel für das Gedankenexperiment für partizipative Schulentwicklung

Gehen wir zurück zum Gedankenexperiment. Stell Dir nun vor, Du bist Elternteil eines Kindes, das in eine Klasse Deiner Schule geht. Was schätzt dieser Elternteil an Deiner Schule, z.B. in Bezug auf den Kontakt zu Kollegium und Schulleitung? Wie könnte ein Vater das Schulgebäude z.B. beim Tag der offenen Schule oder bei einem Elternsprechtag wahrnehmen?

Tipp

Falls du dich für gelungene Kommunikation mit Eltern interessierst, findest du in unserem Artikel zum erfolgreichen Führen von Elterngesprächen hilfreiche Hinweise.

Wir können das Gedankenexperiment noch etwas weiter fassen, wenn Du Dir unterschiedliche berufliche Hintergründe vorstellst. Vielleicht erlebt ein:e Architekt:in die Schule ganz anders als ein:e Ärzt:in, als ein:e Kassierer:in oder als ein:e Sachbearbeiter:in in einer Behörde.

Auf die Perspektive kommt es an!

Bild auf ein Schulgebäude von oben als Beispiel für die Wichtigkeit von Perspektiven in partizipativer Schulentwicklung.

An dieser Stelle pausieren wir das Gedankenexperiment. Vielleicht hast Du festgestellt, dass je nach Perspektive Deine Schule unterschiedliche Stärken und Schwächen haben kann. Dies wird sich nicht nur zwischen den einzelnen Gruppen (Kollegium – Eltern – Schüler:innen – Schulleitung) unterscheiden, sondern sogar innerhalb der einzelnen Gruppen.

Ein:e Sechstklässler:in hat sehr wahrscheinlich andere Wünsche an eine Schule als jemand aus der Oberstufe. Und Eltern haben abhängig von ihrem beruflichen Hintergrund und ihren eigenen Erfahrungen in der Schule unterschiedliche Ideen, welche Veränderungen man an einer Schule vornehmen kann. Und auch bei Diskussionen innerhalb Deines Kollegiums hast Du vielleicht schon festgestellt, dass es je nach Fachgruppe unterschiedliche Bedarfe z.B. an eine Schulkonferenz gibt.

Unabhängig davon, auf wie viele Stärken und Baustellen Du innerhalb des Gedankenexperiments gestoßen bist, ist aber auch völlig klar: Einige Punkte kann man über das Hineinversetzen in die Lage anderer erahnen. Um aber tatsächlich die Bedürfnisse aller Akteur:innen an Schule herauszufinden, muss man sie fragen. Dies ist der Kerngedanke der partizipativen Schulentwicklung.

Teilhabe von Anfang bis Ende ermöglicht partizipative Schulentwicklung

Die Teilhabe an einem Schulentwicklungsprozess kann verschieden ausgestaltet sein. Dies liegt auch daran, dass sich Teilhabemöglichkeiten je nach Schulform und Schulprofil unterscheiden. Grundschüler:innen können anders eingebunden werden als Oberstufenschüler:innen.

Relativ unzweifelhaft dürfte es sein, dass alle Akteur:innen sich beteiligen können, wenn es um die Stärken und Chancen einer Schule geht. Mit Gesprächen, Fragebögen und Abstimmungen können alle Gruppen befragt werden, welche Bestandteile der Schule erhalten oder ausgebaut werden sollten und welche verändert werden müssen (Kurz/Weiß 2016: 33). Auch die Beteiligung am Ende eines Schulentwicklungsprozesses ist relevant.

Wenn Abläufe verändert, das Schulgelände umgestaltet oder vielleicht sogar die Unterrichtsorganisation verändert wurde, müssen alle darüber informiert werden. Denn die Umsetzung von Veränderungen muss von allen zunächst verstanden und dann getragen werden, damit sie nicht „im Sande verläuft“ und wirklich zu einem Erfolg werden kann. Jede Veränderung wird für einzelne Akteur:innen unterschiedliche Konsequenzen haben. Als Methode, um die Bedürfnisse aller Interessengruppen zu erfassen und zu verfolgen, bietet sich die datenbasierte Schulentwicklung an, die wir in einem anderen Artikel vorstellen.

Zwischen diesen beiden Phasen findet die Phase der Kreativität und Innovation statt. In dieser „Arbeitsphase“ geht es darum, sich mit den herausgestellten Stärken der Schule zu befassen und Arbeitsgebiete festzustellen. In verschiedenen Arbeitsgruppen führen innovative Ideen, Diskussionen und kreative Lösungsansätze dazu, zum besten Ergebnis für alle Akteur:innen zu kommen.

Wie Du im Gedankenexperiment gemerkt hast, führt der Einbezug einer neuen Perspektive zu einer Veränderung der Sicht auf die Schule. Auch wenn daraus folgt, dass ein Schulentwicklungsprozess zunächst komplexer und Diskussionen länger werden, wird dies in der letzten Phase des Prozesses dadurch belohnt, dass mehr Personen die Veränderungen mittragen. Dies liegt zum einen daran, dass sie oder ein:e Vertreter:in ihrer Gruppe am Schulentwicklungsprozess teilgenommen haben und zum anderen, dass sich ihre Bedürfnisse in den Ergebnissen des Prozesses wiederfinden.

Bereicherung durch partizipative Schulentwicklung

Sprichwörtlich kann man „dem Menschen nur vor den Kopf schauen“. Dies gilt natürlich insbesondere dann, wenn der andere Mensch wesentlich jünger oder älter ist oder wenn er aus einer ganz anderen Rolle (Schüler:in, Eltern, Kolleg:in, …) auf die Schule schaut.

Illustration eines Schulkindes und seiner Mutter als Beispiel für partizipative Schulentwicklung

Schüler:innen

Die Öffnung der Schulentwicklungsprozesse für alle Beteiligten stellt damit vor allen Dingen eine Bereicherung dar. Niemand kann Ideen einer bestimmten Gruppe besser einbringen und berücksichtigen als ein:e Vertreter:in der Gruppe selbst. So können Schüler:innen eines Abiturjahrgangs am besten dafür eintreten, dass es einen eigenen Arbeits- und Erholungsraum für die Oberstufe geben sollte. Sie wissen am besten, wie er aussehen kann und welche Erwartungen an ihn gerichtet sind. Und bestimmt kommen Schüler:innen auch auf Ideen, zur Weiterentwicklung der Schule (wie zum Beispiel selbstorganisiertes Lernen), die zunächst unkonventionell wirken, denen bei ernsthafter Diskussion aber etwas abgewonnen werden kann.

Video des deutschen Schulportals zum Thema Schülerfeedback im Rahmen partizipativer Schulentwicklung

Eltern

Ähnlich verhält es sich bei der Berücksichtigung von Eltern während des Schulentwicklungsprozesses. „Eltern [können] eine interessante und lohnenswerte Außenperspektive in ein Entwicklungsprojekt einbringen. Schließt man Eltern aus, bleiben Schulentwicklungsprozesse alleine Angelegenheit der Lehrpersonen einer Schule“ (Kurz/Weiß 2016: 49).

Eltern können deshalb eine besondere Bereicherung für eine Schulentwicklung sein, weil sie sehr regelmäßig eine Rückmeldung zu Prozessen in der Schule durch ihre Kinder bekommen und diese auch einordnen können. Sie dienen außerdem als wichtige Impulsgeber:innen und Korrektive: Häufig können sie Ideen einbringen, die sie aus ihrem eigenen Arbeitskontext kennen. Diese mögen zunächst ungewohnt und nicht 1:1 auf das System Schule übertragbar sein. Aber bestimmt gibt es Bestandteile, die bestimmte Abläufe innerhalb der Schule verbessern. So kann eine Schulgemeinschaft von den unterschiedlichen Erfahrungen vor Ort profitieren.

Lehrkräfte

Darüber hinaus führt auch die breite Beteiligung des Kollegiums zu einer Bereicherung. Hier können unterschiedliche Erfahrungen in der individuellen Schulbiografie genutzt werden. Einige Kolleg:innen haben schon an unterschiedlichen Schulen und Schulformen gearbeitet und können dadurch innovative Ideen beisteuern. Des Weiteren haben sie auch bereits durch Referendariate an verschiedenen Ausbildungsschulen Erfahrungen sammeln können. Daher sollten auch neue Kolleg:innen und Referendar:innen und – wenn es die Möglichkeit gibt – Praktikant:innen einbezogen werden. Hier kann das Gespräch mit erfahrenen Kolleg:innen, die die eigene Schule schon sehr lange kennen, zu kreativen und innovativen neuen Ideen führen.

Transparenz und Akzeptanz

Viele Schulen arbeiten während eines Schulentwicklungsprozesses mit einer sogenannten Steuergruppe. Sie überwacht die Schulentwicklung. Sie sorgt dafür, dass Zeitpläne eingehalten werden, und richtet z.B. Arbeitsgruppen ein, die sich bestimmter Themen annehmen. Für die Arbeit der Steuergruppe sind die „Repräsentanz der wichtigsten Gruppierungen“ und die „Transparenz der Arbeit gegenüber dem Kollegium und anderen beteiligten Gruppen“ (Kurz/Weiß 2016: 47) von herausragender Bedeutung.

Symbolbild einer Gruppe von Lehrkräfte, die eine Steuergruppe für partizipative Schulentwicklung repräsentiert.

Am Ende einer Schulentwicklung können teilweise große Veränderungen stehen: die Umgestaltung des Schulgeländes, die Veränderung der Raumnutzung, die Einführung einer neuen Schul-App. Solche Veränderungen haben auf die verschiedenen Akteur:innen unterschiedliche und unterschiedlich große Auswirkungen. Diese mit einem gewissen Vorlauf anzukündigen und zu erläutern ermöglicht es, dass noch Einwände und Änderungswünsche eingebracht werden können.

Werden die einzelnen Gruppen im Schulentwicklungsprozess aber ständig einbezogen, können sie auch schon vorher bedacht werden. So entsteht innerhalb der Schulgemeinschaft nicht das Gefühl, dass Veränderungen und neue Ideen „von oben verordnet“ werden. Denn die partizipative Schulentwicklung ist immer ein Projekt der gesamten Schulgemeinschaft.

Demokratie durch partizipative Schulentwicklung

Die meisten Schulen können nur mit Einschränkungen als urdemokratisch bezeichnet werden. Beispielsweise sind Lerninhalte sowohl für Lehrkräfte als auch für Schüler:innen in Teilen vorgegeben. Die Weiterentwicklung von Schulen kann ein großartiges Projekt für die Schulgemeinschaft sein, um allen Beteiligten Momente des Demokratielernens und -lebens zu ermöglichen (Weiß 2016: 119).

Ein solches Demokratieerlebnis ist dadurch gekennzeichnet, dass es eine breite Beteiligung der verschiedenen Akteur:innen gibt. Insbesondere für Schüler:innen, aber auch für Lehrpersonen sollte eine Schulentwicklung das Erlebnis bieten, nicht nur Dinge ausführen zu müssen, die eine andere Gruppe entschieden hat. Neben einer breiten Beteiligung ist ein Bestandteil der Demokratie auch die Diskussion: „Eine demokratieförderliche Lernkultur ist charakterisiert durch Aushandlungsprozesse. Partizipation basiert auf Abwägen, Beraten und Aushandeln“ (Weiß 2016: 120).

Neben dem Erzielen besserer und passgenauerer Ergebnisse durch eine partizipative Schulentwicklung ist ein weiteres Argument für die Öffnung solcher Prozesse also auch die Partizipation an sich. An Schulen werden Schüler:innen zu demokratischen Mitbürger:innen von Heute und Morgen erzogen und ausgebildet. Partizipative Schulentwicklung kann einen weiteren wichtigen Beitrag dazu leisten, Demokratie hautnah zu erleben.

Kurz und Knapp

Partizipative Schulentwicklung bedeutet, dass alle Akteur:innen innerhalb der Schulgemeinschaft beteiligt werden.
Die Beteiligung bezieht sich auf die Abfrage von Bedürfnissen und Stärken, der kreativen Sammlung von Ideen und der Umsetzung von Veränderungen.
Vorteile der partizipativen Schulentwicklung sind die Bereicherung durch unterschiedliche Perspektiven, Akzeptanz von Veränderung durch Transparenz und Repräsentanz und die Schaffung eines Demokratieerlebnisses durch echte demokratische Abläufe.
Weitere Informationen findest du in unserer Übersicht zur Schulentwicklung, sowie in unserem Beitrag zur datengestützten Schulentwicklung

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Häufig gestellte Fragen zu partizipativer Schulentwicklung

Literatur für partizipative Schulentwicklung

Spannende Beispiele für partizipative Schulentwicklungsprozesse findest Du in diesen Beiträgen:

Brockhöft, Birgit / Ledwig, Eva / Kriegel, Annette (2018): Beteiligung. In: Althoff, Kirsten / Adernach, Nina (Hgg.): Partizipative Schulentwicklung mit dem Leitziel individueller Förderung (=Lernpotenziale 2018, Heft 4). Serviceagentur „Ganztägig lernen“ NRW, Institut für soziale Arbeit e.V. ISSN 2199-8205. S. 34–43.

Kurz, Gabriele / Weiß, Sabine (2016): Erfolgreiche Gestaltung des Schulentwicklungsprozesses: Modelle – Begleitung – Akteure. In: Kiel, Ewald / Weiß, Sabine (Hgg.): Schulentwicklung gestalten. Theorie und Praxis von Schulinnovation. Stuttgart : Verlag W. Kohlhammer, S. 30–55.

Weiß, Sabine (2016): Die partizipativ-inklusive Schule. In: Kiel, Ewald / Weiß, Sabine (Hgg.): Schulentwicklung gestalten. Theorie und Praxis von Schulinnovation. Stuttgart : Verlag W. Kohlhammer, S. 113–135.

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