Ein Klassenzimmer ohne Unterrichtsstörung

Unterrichtsstörungen

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Unterrichtsstörungen beeinträchtigen den Ablauf des Unterrichts und erschweren es den beteiligten Personen, am Unterricht teilzunehmen. Dabei können sowohl Schüler:innen als auch Lehrer:innen den Unterricht stören. In diesem Artikel erfährst Du

  1. was Unterrichtsstörungen sind
  2. welche Gründe es dafür gibt, dass Unterrichtsstörungen auftreten, und welche Möglichkeiten Du hast,
  3. langfristig Unterrichtsstörungen zu minimieren und
  4. kurzfristig auf diese zu reagieren.

Was sind Unterrichtsstörungen?

Auch wenn diese Frage zunächst einfach zu beantworten scheint, lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken, was störend im Unterricht ist. Erinnere Dich auch an Deine eigene Schulzeit oder denke an Deine Schüler:innen oder Deine Kolleg:innen. Jede:r empfindet im Unterricht anderes als eine Störung.

Unterrichtsstörungen sind Verhaltensweisen im Unterricht, die verhindern, dass der Unterricht so ablaufen kann, dass alle beteiligten Personen an ihm teilnehmen können. Schüler:innen können Aufgaben nicht bearbeiten, es kommt kein Unterrichtsgespräch zustande oder Vorträge durch die Lehrkraft werden gestört. Dabei können wir zwischen aktivem und passivem Stören unterscheiden. Bei aktiver Unterrichtsstörung beeinträchtigt eine Handlung den Unterrichtsverlauf. Dazu gehört Reinrufen, die Nachbarin zu ärgern oder lange Vorträge zu einem unwichtigen Nebenthema halten. Passiv stören Nicht-Handlungen den Unterricht: zähe Unterrichtsgespräche, „Herumträumen“ statt Bearbeitung der Aufgaben, geringe Unterrichtsvorbereitung. In beiden Fällen halten Störer:innen andere und/oder sich selbst davon ab, am Unterricht teilzunehmen. An den Beispielen kannst Du sehen, dass sowohl Schüler:innen als auch Lehrer:innen den Unterricht stören können.

Wer stört wen und warum?

Zunächst einmal: Es gibt keinen Unterricht, in dem es nicht einmal zu aktiven oder passiven Unterrichtsstörungen kommt. Stört jemand den Unterricht, ist dieses „Störverhalten“ attraktiver als der eigentlichen Aufgabe nachzugehen. Für Lehrkräfte ist es z.B. häufig schwierig, Schüler:innen dazu zu bringen, sich zunächst ohne ihre Hilfe mit Aufgaben zu beschäftigen. In jedem Unterricht, an dem so viele Individuen teilnehmen, gibt es Phasen, in denen nicht jeder mit voller Begeisterung teilnehmen kann.

Schule als Institution

Dies hat auch institutionelle Gründe. Im System Schule gibt es große – häufig zu große – Klassen und für Schüler:innen nur ein geringes Maß an Wahlfreiheit. Sie können zwar manchmal entscheiden, wie sie eine Aufgabe lösen wollen, aber nicht, welches Fach sie mit welchen Mitschüler:innen und bei welcher Lehrkraft besuchen. Insofern kann das Verhalten von allen Schüler:innen unmöglich mit den Erwartungen aller Lehrkräfte übereinstimmen – und umgekehrt.

Schule als Treffpunkt

In Bezug auf die Hauptakteur:innen des Unterrichtes – Lehrer:innen und Schüler:innen – gibt es unterschiedliche Gründe dafür, den Unterricht zu stören. Schüler:innen gehen jeden Tag mit gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen zur Schule, verbringen dort viel Zeit und knüpfen Freundschaften. Insofern erfüllt der Raum Schule eine wichtige Funktion für die Schüler:innen, weil sie hier auf ihre peers treffen. Mit ihnen handeln sie wichtige Fragen der Identitätsfindung und -konstruktion durch ihre Freundschaftspflege aus. Diese Beziehungsarbeit findet auch im Unterricht statt. Sie ist für einige Schüler:innen von besonderer Attraktivität – wenn sie sich beispielsweise darüber austauschen, was in der Pause geschehen ist oder wer nun mit wem zusammen ist.  

Schüler:innenorientierung im Unterricht

Wenn es attraktiver ist, dem Störverhalten nachzugehen, als den Unterricht zu verfolgen, kann dies auch daran liegen, dass der Unterricht nicht hinreichend interessant für die Schüler:innen ist. Aufgrund der großen Individualität trifft dies zwar in jeder Unterrichtsstunde zu. Niemand kann einen für 30 Personen interessanten Unterricht gestalten. Je weniger Schüler:innen allerdings Interesse daran haben, zu einem gesetzten Thema zu arbeiten, desto mehr Unterrichtsstörungen wird es geben. Sie werden entweder die gestellten Aufgaben nicht bearbeiten oder sich auf andere Tätigkeiten verlegen. Auslöser dafür kann nicht nur die Attraktivität des Themas an sich sein, sondern auch die inhaltliche Schwere. Werden Schüler:innen unterfordert, entsteht Langeweile und der Drang danach, etwas anderes zu tun. Werden sie (deutlich) überfordert, gibt es schnell den Impuls „auszusteigen“.

Austesten von Grenzen

Auch Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie können dabei helfen, unterrichtsstörendes Verhalten zu erklären. Während der Pubertät testen Jugendliche ihre Grenzen aus. Das tun sie nicht nur ihren Eltern gegenüber, sondern auch gegenüber den Lehrkräften. Ein solches Verhalten geht häufig mit Provokation einher (z. B. in Bezug auf den Sprachgebrauch oder offen zur Schau gestellten Regelbrüchen).

Lehrer:innen als Unterrichtsstörung

Aber auch im Verhalten von Lehrkräften können Ursachen für Unterrichtsstörungen liegen. Dies zeigt sich bereits daran, dass je nach Lehrkraft in der gleichen Klasse unterschiedlich viele Störungen auftreten können. Lehrkräfte stören z. B. aktiv den Unterricht, indem sie sich mit Schüler:innen während definierter Arbeitsphasen unterhalten. Ganz natürlich haben auch Lehrkräfte den Drang nach Anerkennung und danach, eine gute Beziehung zu ihren Schüler:innen zu haben. Nimmt dieser Drang Überhang (z.B. durch Gespräche über das Kollegium), gibt es eine unnötige Störung des Unterrichts.

Darüber hinaus tun sich einige Lehrkräfte schwer damit, Unterrichtsstörungen durch Schüler:innen anzusprechen und diese zu unterbinden. Sie befürchten, dass dadurch eine schlechtere Lernatmosphäre im Klassenraum herrschen und die Beziehung zu den Schüler:innen leiden könnte. Außerdem ist „Unterricht“ eine sehr komplexe Situation mit vielen Prozessen, die gleichzeitig stattfinden. Daher kommt es häufig zu Missdeutungen von Situationen, wenn z. B. eine Auseinandersetzung zwischen Schüler:innen am Anfang nicht verfolgt werden konnte. Das verhindert, dass die Lehrkraft einen Konflikt dann – zeitsparend – schlichten kann.

Was kannst Du langfristig gegen Unterrichtsstörungen tun?

Auch wenn Gründe für Störungen im Unterricht vielseitig sind und sowohl von Schüler:innen als auch von Lehrkräften ausgehen können, kannst Du Dich als Lehrkraft auf einige Punkte konzentrieren, die nur in Deiner Hand liegen, um einen flüssigen Unterrichtsverlauf zu gewährleisten.

Interessanter Unterricht

Neben der Kontrolle über das eigene Verhalten (Schüler:innen nicht von der Arbeit ablenken), ist dies vor allen Dingen ein interessanter, mitreißender und anspruchsvoller Unterricht. Die Schüler:innen sind dann die ganze Zeit motiviert und gefordert, sich am Unterricht zu beteiligen. Setze Dich aber nicht unter Druck, wenn Du das Gefühl hast, dass dies einmal nicht funktioniert hat. Nicht jeder Unterricht kann für alle Deine Schüler:innen auf die gleiche Weise interessant sein. Sicherlich wirst auch Du in Deinen Fächern Unterrichtsgegenstände haben, die zwar unverzichtbar, aber auch selbst bei größter Anstrengung nur wenig interessant sind.

Erwartungen transparent machen: Klassenregeln

Für Schüler:innen ist es außerdem wichtig, dass Du transparent machst, was Du in Deinem Unterricht von ihnen erwartest. Dafür ist es hilfreich, wenn Du gemeinsam mit Deinen Schüler:innen verbindliche Regeln für Deinen Unterricht aufstellst. Diese Regeln kannst Du dann z. B. in den Klassenraum hängen. Diese Regeln erhalten eine höhere Legitimität, wenn sie nicht in jedem Unterricht anders sind. Solche Regeln kann auch das Klassenkollegium gemeinsam aufstellen. Regeln sollten dabei möglichst kurz und einfach formuliert sein. Da Schüler:innen die Regeln befolgen sollen, müssen die Regeln auch für sie einsichtig sein und sollten positiv formuliert sein („Ich melde mich, bevor ich etwas sagen will!“ anstatt: „Ich rufe nicht rein“).

Neben Verhaltensregeln gibt es in einigen Fächern auch Verfahrensregeln. Dies gilt z.B. im Chemieunterricht bei der Vorbereitung von Experimenten, die häufig einem festen Ablauf folgt. Schüler:innen müssen solche Verfahren einüben – sie können nicht einfach von Schüler:innen erwartet werden.

Präsenz im Klassenraum

Weiterhin kannst Du eine Häufung von Unterrichtsstörungen dadurch unterbinden, dass Du während des Unterrichtes im Klassenraum Präsenz zeigst. Wenn Schüler:innen das Gefühl haben, sie würden nicht wahrgenommen, kann dies mit einem mangelnden Gefühl von Wertschätzung einhergehen („Der Lehrer bekommt sowieso nicht mit, ob ich mich in der Gruppenarbeit einbringe oder nicht.“). Indem Du das Gefühl vermittelst, alle Schüler:innen im Blick zu behalten, vermeidest Du, dass die Schüler:innen „leichtfertig“ grobe Regelverstöße begehen. Zum anderen kannst Du Situationen schneller unterbinden, in denen Schüler:innen sich nicht ihrer eigentlich zugedachten Tätigkeit widmen.

Wie interveniere ich bei akuten Unterrichtsstörungen?

Stellst Du ein störendes Verhalten in Deinem Unterricht fest, gilt es vor der Reaktion einige Fragen zu bedenken. Wichtig ist, dass in jedem Fall eine Reaktion auf eine Störung erfolgt. Ansonsten kann sich bei Schüler:innen ein Gefühl der unfairen Behandlung einstellen. Sie erhalten das Gefühl, dass Lehrkräfte einige Störungen (vielleicht sogar von bestimmten Mitschüler:innen) tolerieren und andere bestrafen.

Anhand dieser Reflexionsfragen kannst Du Verhalten, dass Dich im Unterricht stört, hinterfragen, um dann eine Konsequenz daraus folgen zu lassen. Je weiter Du bei der Abwägungsphase eine Einschätzung auf der rechten Seite triffst, desto eher wird es notwendig sein, der Störung eine größere Aufmerksamkeit zu widmen, sodass sich alle wieder auf den von Dir vorbereiteten Unterricht konzentrieren können.

Fazit – Wie gehst du mit Unterrichtsstörungen um?

Wie sind deine Erfahrungen? Wie gehst du mit Unterrichtsstörungen um und welche Herausforderungen kennst du aus deinem Alltag? Erzähl uns davon in den Kommentaren unter diesem Beitrag, in einer Nachricht über unser Kontaktformular oder in den sozialen Medien auf Instagram, Facebook oder LinkedIn.

Literaturtipps

Nolting, Hans-Peter (112013): Störungen in der Schulklasse. Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung. Weinheim / Basel : Beltz.

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